Steuerrecht
Pensionierung - Steuerfolgen
Renten jährlich zusammen mit normalem Einkommen; einmalige Kapitalzahlungen mit einer gesonderten Jahressteuer zu reduziertem Satz
Besteuerung von AHV- und Pensionskassenrenten
Renten der AHV und der Pensionskasse (BVG) werden normal besteuert, das heisst dem übrigen Einkommen zugerechnet (vgl. z.B. Art. 22 DBG [Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer]; § 22 St G ZH [Steuergesetz Kt. Zürich]; § 29 und 30 StG SO [Steuergesetz Kt. Solothurn]; § 24 StG TG [Steuergesetz Kt. Thurgau]). Der Hintergrund ist, dass die ursprünglichen Beiträge an die AHV und die Pensionskasse vollumfänglich vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden konnten, vorerst also in einem steuerfreien Bereich gespeichert und erst bei der Auszahlung steuerlich erfasst werden.
Besteuerung von Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge (Einmalzahlungen) und aus anerkannten Formen der gebunden Selbstvorsorge (Säule 3a)
Häufig ermöglichen Pensionskassen den angeschlossenen Versicherten, dass diese einen Teil oder das ganze Pensionskassenguthaben bei der Pensionierung in Form einer Einmalzahlung beziehen, sofern der einzelne Versicherte dies wünscht. Wie bei den Renten erfolgt die Besteuerung im Zeitpunkt der Auszahlung.
Würde nun aber eine Einmalzahlung zum normalen Einkommen dazugezählt und entsprechend besteuert, dann hätte dies eine hohe Steuerprogression zur Folge. Weil mit der Einmalzahlung zukünftige Renten einmalig abgegolten werden, wäre dieses Ergebnis aus Steuergerechtigkeitsüberlegungen nicht sachgerecht. Die Einmalzahlung hätte im Vergleich zum Rentenbezug wesentlich grössere Steuerfolgen, weil beim Rentenbezug die Einkünfte über viele Jahre verteilt werden und die Progression dadurch verringert wird.
Der Gesetzgeber hat sich daher zu einer Privilegierung von Einmalzahlungen im Vergleich zu Renten entschlossen: Wenn Leistungen der Pensionskasse in Form von Einmalzahlungen bezogen werden, unterliegen diese einer Besteuerung, welche für den Steuerpflichtigen wesentlich günstiger ist: Die Einmalzahlungen werden zu einem reduzierten Tarif erfasst, und sie unterliegen einer sog. gesonderten Jahressteuer, das heisst, sie werden für sich allein besteuert, ohne Berücksichtigung der übrigen Einkünfte, z.B. aus Dividenden (Art. 38 DBG [Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer], Art. 11 Abs. 3 StHG [Steuerharmonisierungsgesetz; Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden]).
Es ist stets eine volle Jahressteuer geschuldet; besteht die Steuerpflicht nicht während der ganzen Steuerperiode, wird also keine Pro-rata-Besteuerung vorgenommen.
Für Zahlungen aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) gilt die gleiche Regelung: Auch sie werden unabhängig vom übrigen Einkommen mit einer gesonderten Jahressteuer zum privilegierten Steuersatz erfasst.
In der gleichen Steuerperiode zu besteuernde Kapitalzahlungen, z.B. wenn beide Ehepartner im gleichen Jahr Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge beziehen oder wenn Kapitalleistungen der Pensionskasse mit Säule-3a-Zahlungen zusammenfallen, werden zusammengerechnet (vgl. z.B. Richner / Frei / Kaufmann / Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. A., § 37 N 38; StG SO § 47 Abs. 2 lit. c; Steuerpraxis Thurgau StP 39 Nr. 2 Ziff. 1). Es werden keine Sozialabzüge gewährt.
Der Zivilstand wird bei der Wahl des Tarifs (Grundtarif oder Verheiratetentarif) berücksichtigt. Dabei ist auf die Verhältnisse am Ende der Steuerperiode oder am Ende der Steuerpflicht abzustellen (Richner / Frei / Kaufmann / Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3.A., § 37 Rz 35).
Den Steuersatz bestimmen die Kantone im Rahmen ihrer Tarifautonomie. Die Tarife unterscheiden sich stark:
Beispiel Bund (direkte Bundessteuer): Besteuerung zu einem Fünftel der ordentlichen Tarife für Alleinstehende oder Verheiratete (Art. 38 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer [DBG]).
Beispiel Kanton Zürich: Besteuerung mit einer gesonderten Jahressteuer zum Steuersatz, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen eine jährliche Leistung von einem Zehntel der effektiven Kapitalleistung (entspricht nicht einem Zehntel des Tarifs!) ausgerichtet würde, mindestens aber zu 2 Prozent (§ 37 Steuergesetz Kanton Zürich [StG ZH]; die so ermittelte einfache Steuer ist mit dem jeweiligen Gesamtsteuerfuss zu multiplizieren!).
Beispiel Kanton Solothurn: Die Steuer beträgt einen Viertel der normalen Steuer (§ 47 Abs. 2 lit. c StG SO; Multiplikation mit dem jeweiligen Gesamtsteuerfuss!).
Beispiel Kanton Thurgau: Gesonderte Besteuerung der Kapitalleistung (Tarif der einfachen Steuer: 2 % für Verheiratete, 2.4 % für die übrigen Steuerpflichtigen; Multiplikation mit dem jeweiligen Gesamtsteuerfuss!; § 39 StG TG).
Die Zuständigkeit für die Besteuerung liegt beim Wohnsitzkanton des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Fälligkeit. Auch die Veranlagung der direkten Bundesteuer wird durch diesen Kanton vorgenommen. Ein Wohnortswechsel in einen steuergünstigeren Kanton kann Entlastung bringen, wenn dieser rechtzeitig vorgenommen wird. Allerdings dürfte es die Ausnahme sein, dass jemand bloss aus steuerlichen Gründen zügelt. Ein Wegzug ins Ausland funktioniert dagegen nicht: Hat der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistungen im Ausland Wohnsitz, wird eine Quellensteuer am Sitz der Vorsorgeeinrichtung erhoben (vgl. z.B. StP TG [Steuerpraxis Thurgau] Nr. 39 Nr. 1 Ziff. 5; StG ZH § 98; Richner / Frei / Kaufmann / Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3.A., § 37 Rz. 8).
Berechnungsbeispiel (wenn alle drei Leistungen im gleichen Jahr fällig werden):
Kapitalleistung Säule 2 (BVG), Ehemann CHF 600’000
Kapitalleistung Säule 3a, Ehemann CHF 140’000
Kapitalleistung Säule 3a, Ehefrau CHF 160’000
Total Kapitalleistungen Ehemann und Ehefrau CHF 900’000
Direkte Bundessteuer, Einkommen aus Kapitalleistungen CHF 900'000, Steuertarif Verheiratete, normaler Steuersatz 11.5 %, davon 1/5 = 2.3 % (vgl. steueramt.zh.ch > Steuerberechnung > natürliche Personen > Direkte Bundesteuer auf Kapitalleistungen): geschuldete direkte Bundessteuer = CHF 20'700
Staats- und Gemeindesteuer ZH, Stadt ZH, verheiratet, evangelisch, Jahr 2002 (vgl. steueramt.zh.ch > Steuerberechnung > natürliche Personen > Staats- und Gemeindesteuer auf Kapitalleistungen): geschuldete Staats- und Gemeindesteuer = CHF 94’043
Aus Sicht der Steuerplanung kann eine Verbesserung erreicht werden, wenn die verschiedenen Leistungen nicht im gleichen Jahr fällig werden (soweit im konkreten Fall überhaupt ein Handlungsspielraum besteht). Durch die Privilegierung der Kapitalleistungen im Vergleich zum normalen Einkommen ist die Progression allerdings relativ flach. Es wird daher im konkreten Fall abzuklären sein, ob sich Handlungsalternativen steuerlich lohnen. Bei Bedarf können entsprechende graphische Darstellungen (Excel-Diagramme) für den konkreten Wohnort und die effektiven Zahlen erstellt werden.
Nicht behandelt – aber im Rahmen der Steuerplanung auch wichtig – ist im vorliegenden Fachartikel die Thematik von Einkäufen in die Pensionskasse vor der Pensionierung. Auch nicht behandelt ist die Frage, ob ein Rentenbezug oder eine Kapitalauszahlung der bessere Weg ist.
07.05.2020 / BRAUN Advokatur + Steuern / alle Angaben ohne Gewähr.